KSJ Trier

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Katholische Studierende Jugend Diözese Trier

Der Abschied des Messias

17. Mai 2013 | Kommentare deaktiviert für Der Abschied des Messias

Ansprache von Jutta Lehnert vom 12.05

Wer wissen möchte, wie so ein „Sonntagsgottesdienst für ausgeschlafene Christ*innen“ bei unseren Freunden von Haus Wasserburg so ist, hat hier die Möglichkeit die Predigt und den Verlauf vom 12.05 nachzulesen. Oder noch besser: Sie_er kommt demnächst einfach selbst mal nach Vallendar vorbei. Aber früh da sein, sonst gibt’s keine Sitzplätze mehr!
Joh 17 Der Abschied des Messias

Liturgische Eröffnung

Begrüßung: Am vergangenen Montagmorgen, am Ortsausgangsschild von Vallendar Richtung Urbar, oben am evangelischen Gemeindezentrum…eine Gruppe von Menschen, die seltsame Dinge taten…ein Abschied…um Abschied geht es auch in den Texten von heute…am Ende der Osterzeit um den Abschied des Messias Jesus von seiner Gemeinde, die in Ängsten ist. Seine Worte zu ihr sind auch ermutigende Worte für uns. Gib uns ein Herz für Dein Wort und ein Wort für unser Herz….

Kyrie: (Dorothee Sölle)

Herr wir bringen vor dich all unsere angst
die angst alt zu werden und die angst vor dem tod
die angst allein dazustehen und die verlassen zu werden
die angst vor den aufgaben denen wir nicht gewachsen sind
und die angst davor nicht gebraucht zu werden
alle ängste bringen wir zu dir gott
die die wir kennen und die die hinter den bekannten lauern
herr, erbarme dich
Christus wir bringen unsere traurigkeit zu dir
unsere müde milde verzweiflung
über die ausrottung unserer geschwister der tiere und pflanzen
und unser kaltes entsetzen über das geschäft mit der entstehung des lebens
nimm unsere schwäche und unsere angst in dein herz
christus erbarme dich
Gott du dunkler grund allen lebens
wir bringen uns selber vor dich
dass du uns auffängst wenn wir fallen
und wir wissen dass wir nicht aus dir herausfallen können
in keinem augenblick unseres daseins
herr, erbarme dich

Gloria

Tagesgebet: (Dorothee Sölle)

Schaffe in mir, Gott, ein neues Herz. Das alte gehorcht der Gewohnheit.
Schaffe mir neue Augen.
Die alten sind behext vom Erfolg.
Schaffe mir neue Ohren. Die alten registrieren nur Unglück.
Und eine neue Liebe zu den Bäumen statt der voller Trauer.
Eine neue Zunge gib mir statt der von Angst geknebelten.
Eine neue Sprache gib mir statt der gewaltverseuchten, die ich gut beherrsche.
Mein Herz erstickt an der Ohnmacht aller, die deine Fremdlinge lieben.
Schaffe in mir, Gott, ein neues Herz.
Und gib mir einen neuen gewissen Geist, dass ich dich loben kann ohne zu lügen,
mit Tränen in den Augend, wenn´s denn sein muss, aber ohne zu lügen. Amen

Lesung: Apk 22, Auswahl bis Schluss-Satz

Zwischengesang:

Evangelium: Joh 17,20-26

Dass junge Menschen losziehen, nachdem sie ihre Lehre abgeschlossen haben, ist eine tausendjährige Tradition. Im Mittelalter war es sogar Pflicht, heute ist es ein freier und mutiger Entschluss. Ich habe sie im Jahr 2009 zum ersten Mal konkret kennengelernt: Zwei frei wandernde Zimmermänner bauten das wunderschöne Baumhaus der KSJ auf dem Waldgrundstück bei Nattenheim und waren in den 6 Wochen, die sie dort im Wald lebten, ein faszinierender Anziehungspunkt für die Jugendlichen. Als sie fertig waren, sagten sie: Wenn der Nachbar grüßt und der Hund nicht mehr bellt, dann muss man weiterziehn…Dass man mit so wenig auskommen kann, dass man ganz im Vertrauen auf die eigene Kraft und in der Hoffnung auf gute Menschen ins Ungewisse gehen kann für drei Jahre und einen Tag, dass man die Bannmeile um die Heimat und noch andere Regeln der Zunft als Ehrensache betrachtet und nie übertreten würde, überzeugt in seiner klaren Orientierung. Das Kostbarste, was sie bei sich trugen, waren ihre Wanderbücher: Klein, dick, in ein Tüchlein eingewickelt, fanden sich dort nach Jahren auf der Walz Beschreibungen ihrer Zimmereiarbeiten an unglaublich vielen verschiedenen Orten, Fotos, Kommentare von Auftraggebern, Stempel von Bürgermeistereien – und was mir am besten gefiel: Segenwünsche und Gebete. Auf den ersten Seiten zum Abschied von Eltern und Freunden, dann immer wieder zwischendurch von lieben Menschen, die sie aufgenommen hatten. Martin und Sven gehören zum Schacht Ubuntu, das heißt so viel wie Menschengeschwister. Kai gehört zum Schacht Axt und Kelle, die sich erst 1979 gegründet hat und sich der weltweiten Gerechtigkeit und dem Antimilitarismus verpflichtet weiß. Jeder Schacht hat eine sog. Sommerbaustelle: Für vier Wochen bauen die Gesellen (und Gesellinnen) gemeinsam an einem Projekt, etwa ein Kinderferiendorf oder einen Holzspielplatz für sozial Benachteiligte…So ist übrigens die Krabatmühle bei Hoyerswerda wieder aufgebaut worden. Der Abschied vom normalen Leben in die Wanderzeit hat feste Rituale: Die Eltern und Freunde schreiben auf Zettel, was für sie los war am 6. Mai 2013, die werden in einer Flasche fest verschlossen in einem 80 cm tiefen Loch vergraben. Das wird wieder hervorgeholt, wenn nach 3 Jahren und einem Tag die Rückkehr ansteht. Was war das am letzten Montag? Der NSU-Prozess wurde eröffnet, wieder ist ein deutscher Soldat in Afghanistan gefallen, der Frühling ist endlich da nach einem harten Winter…Dann geht es für den neuen Wandergesellen über das Ortsschild ohne sich noch einmal umzudrehen in die Fremde, ein paar gute Wünsche noch – „liebe Menschen!“ – „gute Erfahrungen!“ – „immer genug zu essen“ – hinterher…

Natürlich ist ein freiwilliger Abschied auf die Walz nicht zu vergleichen mit dem Abschied Jesu, der ja gewaltsam und erzwungen war. Auffallend ist nur, dass bei beiden Abschieden Worte eine entscheidende Rolle spielen, die einerseits nichts verklären, sondern die harte Wirklichkeit im Blick behalten – und andererseits stark von Ermutigung geprägt sind.

Die Gemeinde des Johannes ist bedroht: Sie muss „in dieser Welt“ – genauer übersetzt „unter dieser Weltordnung“ leben – und damit ist die Ausbeutungsordnung Roms gemeint, die nicht nur die Wirtschaft sondern längst auch die Köpfe und Herzen der Menschen besetzt hatte. Der Evangelist Johannes hat einen klaren Blick auf diese Realität des römischen Reiches – außerdem war jedem, der einmal durch die entlarvende Brille des Messias geschaut hatte klar, was wirklich los war. Wie kann die Gemeinde die befreiende Praxis des Messias leben, die doch in direktem Widerspruch zur Ausbeutung, zur Gewalt und zu den Herrschaftsbeziehungen der Weltordnung steht?

Das Einzige, was der Messias für seine Gemeinde noch tun kann, ist seine Solidarität mit ihr zu beschwören und für sie zu beten. Deshalb fügt der Evangelist Johannes vor die Verhaftung Jesu sog. Abschiedsreden des Messias Jesus ein, sie sollen die Gemeinde auf den bevorstehenden Verlust einstimmen und ihr beim Durchhalten helfen. Dabei ruft der Evangelist in Erinnerung, dass das Leben Jesu Ausdruck tiefster Solidarität Gottes mit den Menschen war. Diese Solidarität mit den Kleinen und Wehrlosen darf mit dem Abschied des Messias nicht enden, sie muss sich wiederfinden in der Praxis seiner Gemeinde. Das steckt hinter dem Wort „Einheit“, das so oft in diesem Textstück vorkommt. Die Einheit der Gemeinde, die Einheit der Kirche ist nicht formal bestimmt, sondern inhaltlich. Die formale Einheit wird uns ja oft um die Ohren gehauen als Argument gegen die Vielfalt oder gegen kritische Einwände – „in Einheit mit dem Papst und den Bischöfen“ ist da eine beliebte Gehorsamsformulierung. Da verkommt das schöne Wort Einheit zu Uniformität und zu toter Struktur. Diese Einheit ist hier nicht gemeint, sondern die Einheit mit Jesus selbst, mit seiner Praxis und mit seiner Gottestreue. Deshalb soll die Gemeinde das Gottesverhältnis Jesu widerspiegeln: Der Name Gottes ist an Jesus ablesbar – er heißt Jeschua – Gott befreit – und dieser Name Gottes soll durch die Gemeinde weiter bekannt gemacht werden, durch das was sie tut, und durch ihr solidarisches Miteinander. Es ist ja möglich, dass diese ungerechte Weltordnung nicht so bleibt, solange es Menschen gibt, die sich ihr verweigern. Die Weltordnung ist verfahren, ja, aber die Menschen, die in ihr leben müssen, sind es nicht. Sie haben die Möglichkeit, all ihren Mut zusammenzukratzen und sich ihr entgegenzustemmen.

Vermutlich ist es nicht so schwer zu entdecken, wo und wann das sein kann in dieser Welt, die aus Konkurrenz und Aggression gemacht ist, die uns zu Konsumenten reduzieren will und ihre Blödmaschinen um uns herum aufgebaut hat. Blödmaschinen, so sagt mein Freund Kuno Füssel, sind „vor allem auf Kommunikation aufbauende Einrichtungen und Systeme, mit denen der Kapitalismus Dinge, Menschen, Märkte, Geld und Technik so miteinander verzahnt, dass es fast kein Entrinnen mehr gibt.“ Dem gilt es, andere Erfahrungsräume entgegenzusetzen, die dieses unselige Gefüge entzerren, das Blickfeld wieder weiten und Herz und Verstand. Nur eine kleine Beobachtung dazu: Als die Eltern von Yannick Zengler letzte Woche nach Ruanda fuhren, um ihren Sohn zu besuchen, nahmen sie eine Tasche voll handgeschriebener Briefe von Jugendlichen mit. Und das, obwohl man facebookt und twittert und mailt…

Es kann ja nicht jeder auf eine Ferienfreizeit von Haus Wasserburg oder ein Sommerlager oder eine Sommerfahrt der KSJ mitfahren, die reine Widerstandsnester sind gegen die Vernutzung und Verblödung unserer Kinder und Jugendlichen, es kann nicht jeder auf die Walz gehen und damit in eine andere Zeit- und Arbeitsstruktur, verbunden mit sensibleren Wahrnehmungsmöglichkeiten. Aber jeder und jede von uns kann am Mantel Gottes mitstricken, wie Dorothee Sölle das mal genannt hat, am wärmenden Mantel Gottes. Denn es ist zu kalt auf der Welt, als dass wir meinen könnten, es ließe sich ohne diesen Mantel leben.

Lied Reinhard Mey: Wir alle seins Brüder, wir alle seins gleich…

Glaubensbekenntnis: (Dorothee Sölle) alle

Ich glaube an Gott, den Allmächtigen, der Himmel und Erde geschaffen hat
und die Welt erhalten will gegen unsere Unvernunft und allen Größenwahn.
Ich glaube an den schöpferischen Geist und die Kraft unserer Gemeinschaft,
die Leben schafft und Leben schützt, aufsteht gegen tödliche Bedrohung und lähmende Ohnmacht.
Und an Jesus Christus, unseren Bruder und Gottessohn,
der den Himmel erdet und die Erde mit dem Himmel verbindet,
der gelitten hat unter unserer Schwachheit, der gekreuzigt wurde von unserem fehlenden Vertrauen,
und gestorben ist an unserer lähmenden Angst, begraben unter unserer Gleichgültigkeit,
hinabgestiegen in das Reich der Mächtigen,
der unter uns aufersteht mit jeder neuen Hoffnung,
mit jedem Tropfen guten Wassers, mit jedem Atemzug gesunder Luft,
mit jeder Blume, die den Kopf nicht hängen lässt.
Und er wird unterscheiden zwischen denen, die den Tod betreiben und denen, die für das Leben einstehen.

Gabengebet:

Gott des Lebens,
Brot und Wein sind Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit, so sagen wir.
Sie sind Geschenk Gottes, aber auch Waren und so Ausdruck unserer gesellschaftlichen Verhältnisse.
Im Brot und im Wein stecken die Ungerechtigkeit und die Ausbeutung, die wir immer noch dulden.
Hier aber, in unserer Gemeinschaft, sind sie diesem unwürdigen Spiel entzogen.
Hier sind sie Geschenke aus Deiner Fülle, die ausreicht für alle Menschen.
Hier erinnern sie an eine andere Welt, die möglich ist. Hier verwandeln sie sich in Zeichen der Befreiung.
Lass uns im Teilen von Brot und Wein zu Deinem Leib werden, verwandelt in eine Gemeinschaft in Einheit mit Dir.

Hochgebet gesungen…

Schlussgebet: (Dorothee Sölle)

Und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden
O Gott, die du uns besser kennst als wir uns selber kennen
Wann müssen wir unser Gesicht nicht mehr verstecken vor den Verhungernden?
Wann werden wir sichtbar?
Wann wird deine Wahrheit durch uns hindurchleuchten?
Gott, Freundin der Menschen, Freund der Erde,
komm bald
maranatha beeil dich
mach uns sichtbar
Töcher und Söhne in deinem Reich.