KSJ Trier

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Katholische Studierende Jugend Diözese Trier

Nur die Hoffnung bleibt

29. Dezember 2012 | Kommentare deaktiviert für Nur die Hoffnung bleibt

Bericht der Theologischen Tagung mit Alex van Heusden

Alle Jahre wieder wird die Welt von einer monströsen Welle von Kitsch und Konsum überrollt. Pünktlich zum sogenannten „Fest der Liebe“ fragt man sich, wie in einer Welt, die von so vielen liebevollen und liebenden Menschen bewohnt wird, so viel schief laufen kann. Kann es nicht möglicherweise sein, dass wir vor lauter Weihnachtsliedergedudel und oberflächlicher Harmoniesüchtigkeit schlichtweg ausblenden, dass zur gleichen Zeit Menschen im Kongo in einem Krieg bluten, der von Konzernen mitfinanziert wird, die dort Coltan für Handys und Computer gewinnen, die dann unter unseren Weihnachtsbäumen liegen!? Dass in Angola die Menschen für unsere Schokoladennikoläuse aus ihrer Heimat vertrieben werden!? Dass andere Menschen verhungern, weil ihnen ihr Ackerland weggenommen wird, weil man Anbauflächen für Viehfutter braucht, damit wir für das Weihnachtsfestessen unsere Fleischration bekommen und im Überfluss schwelgen können!?

War das nun zu drastisch? Möglicherweise ja, aber Weihnachten ist für mich jedes Jahr auch die Zeit, in der die Heuchelei und Verlogenheit der westlichen Welt ihren absoluten Höhepunkt erreicht.

Was könnte man also besseres tun, als sich in Rascheid zu einem konspirativen Treffen zusammenzufinden und den Umsturz des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu planen?
Ist das Wunschdenken? Ging jetzt meine Phantasie mit mir durch? Vielleicht, vielleicht auch nicht…

Auf der Theologischen Tagung haben wir uns dieses Mal mit der Entwicklung des Christentums in den ersten vier Jahrhunderten unserer Zeit befasst. Als Referent hatte Alex van Heusden den weiten Weg aus Amsterdam bis ins verschneite Rascheid auf sich genommen.

Das System ist das Problem! Das habe ich mit der obigen Einführung deutlich machen wollen. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu, sie reicht weit in die Vergangenheit zurück: Die Große Erzählung des Volkes Israels ist voll von Geschichten über den Kampf gegen ungerechte Gesellschaftsstrukturen. „Eine andere Welt ist möglich“, so lässt sich die Botschaft Tora vielleicht resümieren (Oder: „Eine mögliche Welt ist anders“).

Von der Entstehung der Tora bis heute ist viel passiert. Ganz entscheidende Dinge, die das Christentum und die Kirche (leider) bis heute immer noch prägen, geschahen noch vor 400 nach Christus: Was einst eine subversive Gegenbewegung gegen Unrechtsysteme und Ausbeutungsstrukturen (zunächst den Hellenismus und später die römische Imperialmacht) war, ist im Laufe der Geschichte zu einer Ideologie geworden, die unzählige Menschenleben forderte, spätestens seitdem sie Staatsreligion wurde.

Das Bestreben der Tora, die bestehenden Verhältnisse zu verändern und menschengerecht zu gestalten, geriet unter römischer Besatzung in immer weitere Ferne. Das Zeitalter des Messianismus war angebrochen, in dem auch die Jesusbewegung ihren Ursprung hatte. Die Idee einer gerechten Welt war in schier unerreichbare Ferne gerückt und wurde gewissermaßen „vertagt“. Es blieb lediglich die Hoffnung auf das Reich Gottes, indem die Verhältnisse umgekehrt würden. Dennoch war die Jesusbewegung eine klare Abgrenzung zu den politischen Machthabern. Denn wer Jesus mit dem Hoheitstitel des „Christus“ versah oder Gott als seinen „Herren“ verehrte, der wich von der allgemeinen Praxis im römischen Imperium ab, den jeweiligen Kaiser mit diesen Namen zu verehren.

Mit dem Untergang des römischen Reiches (also dem Untergang des Systems, gegen dass sich die Jesusbewegung wandte) geschah etwas Einschneidendes: Der Kontext der Sprache und der Traditionen der Jesusbewegung veränderte sich völlig. Die Gegenbewegung verlor damit ihren „Sinn“. Die Sprache und die Traditionen wurden jedoch nicht an den neuen Kontext angepasst. Was einst als Hoffnung der Unterdrückten begonnen hatte, wurde nun zu einer Ideologie der Unterdrücker.

Man muss lediglich den Lauf der Geschichte verfolgen und stößt massenweise auf Dinge, die falsch liefen: Wie kann man mit dem Christentum, dass seinen Ursprung in der Jesusbewegung hat, Kreuzzüge, die Missionstätigkeit der Weißen Väter in Afrika mit all ihren schrecklichen Folgen, Homophobie (um mal nur einige wenige Unsäglichkeiten zu nennen) legitimieren? Indem man es aus dem ursprünglichen Kontext herausreißt und radikal verfremdet.

Die Bücher von Alex van Heusden sind meines Wissens leider nicht ins Deutsche übersetzt worden. Für alle jene, die sich gerne weiter mit dem Thema auseinandersetzen möchten, deren Kenntnisse des Niederländischen allerdings letzthin etwas eingerostet sind, denen sei das folgende Buch wärmstens empfohlen:

Ton Veerkamp: Die Welt Anders- Politische Geschichte der Großen Erzählung

Meines Erachtens war es ein hochspannendes Wochenende mit vielen guten und Mut machenden Diskussionen, einem schönen Abend voller Bilder, Anekdoten und Geschichten und dem revolutionären Akt des Teilens von Brot und Weins. Und falls mein Bericht ein wenig düster oder deprimierend klingen mag: So war es nicht, im Gegenteil!! Dieser etwas verschnupfte Unterton ist vielmehr meiner Erkältung anzurechnen, die ich mir vermutlich bei der finalen Schneeballschlacht zugezogen habe, die der Theologischen Tagung einen würdigen Abschluss setzte.

In diesem Sinne:

„Der Name Gottes ist ein politisches Programm, eine Lebensregel für Revolutionäre, eine Ordnung für die Gottesdienste der Kirche, ein erstes und letztes Wort der Menschenrechte. Wegen der Heiligung des Namens haben die Kirchen ein Recht zu existieren: Als Schulen des Gewissens und Häuser des Gebets.“ (Huub Osterhuis)