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Katholische Studierende Jugend Diözese Trier

Krieg im Kongo – Es bleibt nur die Hoffnung

30. November 2012 | Kommentare deaktiviert für Krieg im Kongo – Es bleibt nur die Hoffnung

Bericht von Yannick Zengler, KSJ’ler und zur Zeit Freiwilliger in Ruanda

Matimba, 24.11.2012
Seit einer Woche schauen wir bei jeder Mahlzeit Fernsehen. Jede noch so kleine Neuigkeit der internationalen Fernsehsender über die Situation direkt hinter der ruandisch-kongolesischen Grenze verfolgen wir genau und jeden Tag wird unser Entsetzen größer. Heute sahen wir beim Mittagsessen wieder im Bildschirm unzählige Familien, Männer, Frauen und Kinder, die mit ihren wenigem Hab und Gut, das man in der Hand oder auf dem Kopf transportieren kann, auf der Flucht vor den vordringenden Rebellen sind.
Als ich noch in Deutschland war, war mir das, was man von Krieg und Elend in manchen afrikanischen Ländern hört, zwar nicht egal, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, berührt hatte mich das doch nicht sehr. Nun ist das anders. Zu bekannt scheinen mir die Menschen, die Dinge, die sie mit sich tragen, und die Landschaft, die man im Fernsehen vom Ostkongo sieht.
Letzte Woche war ich zusammen mit 15 Jugendlichen aus Matimba für fünf Tagen beim internationalen Jugendreffen in Kigali. Die Communauté de Taizé hatte zum „Pilgerweg des Vertrauens auf der Erde“ eingeladen. Wer Taizé und mich kennt, kann sich vielleicht denken, dass ich zunächst etwas skeptisch gegenüber dem Treffen war, da mir, als doch eher rationalen Menschen, die Spiritualität Taizés etwas fremd ist. Doch zusammen mit 8500 Jugendlichen aus Ruanda, Burundi, Tanzania, Kenia und aus anderen Ländern Ostafrikas und der ganzen Welt haben wir in vielen Sprachen gebetet und gesungen, zu Pop- und traditioneller Musik aus Ostafrika bis zum Umfallen getanzt und nachmittags in den vielen Workshops über diverse Themen diskutiert und Meinungen ausgetauscht. Allerdings die größte Gruppe aus dem Ausland stellten die Jugendlichen aus der Diözese Goma im Ostkongo dar. Zu erkennen waren sie an den Halstüchern, die die Farben der kongolesischen Flagge hatten.

Untergebracht waren wir in Gastfamilien aus vielen verschieden Pfarreien rund um Kigali. In meiner Pfarrei war ich unteranderem auch mit zwei Jugendlichen aus Goma zusammen. Gerade die Leute, mit denen man zusammen in einer Gastpfarrei war, lernte man kennen, da man sich jeden Morgen zu den ernsten Programmpunkten in der Pfarrei traf, gemeinsam mit dem Bus nach Kigali fuhr und sich abends im Bus wiedertraf, um sich zu erzählen, was man am Tag erlebt hatte. Auch wenn das mit dem Sprachenwirrwarr (Kinyarwanda, Kirundi, Kiswahili, Englisch oder Französisch) etwas komplizierter war, verstanden hatte man sich doch irgendwie im doppelten Sinne mit allen.

Nie vergessen werde ich wohl den Workshop „Blessed are the peacemakers“ („Selig sind die, die Frieden stiften“ (Matth. 5,9)). Eine Diskussion über Frieden mit Jugendlichen, deren Heimat sich zum Teil seit Jahrzehnten im Krieg befindet, hat halt doch eine andere Tiefe. Besonders beeindruckt hat mich unser „Ergebnis“: Frieden in seiner Gesamtheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg und bezieht sich nicht nur auf die äußere Umwelt. Noch viel wichtiger als dieser „äußere Friede“ ist der „innere Friede“. Das meint Frieden im Herzen, mit sich selbst im Reinen sein. Denn wer in sich selbst Konflikte und Kämpfe trägt, hat keinen Frieden, den er mit anderen teilen kann. Nur wer sich bemüht, Frieden in sich selbst zu schaffen, kann Frieden für andere stiften. Solche Sätze von Jugendlichen aus dem Kongo zu hören, geht mir immer noch nach.

Als wir wieder in Matimba waren, überschlugen sich die Nachrichten aus dem Kongo. Stichworte: „Goma kurz vor dem Fall“, „10.000 Menschen auf der Flucht“, „UN befürchtet humanitäre Katastrophe“… Ich hab keinen blassen Schimmer, wo die Jugendlichen aus Goma, die ich kennen gelernt habe, sind. Sind sie noch in Ruanda? Sind sie erst gar nicht nach Hause gegangen? Sind sie in Sicherheit? Geht es ihnen gut? Aber was ist mit ihren Familien… Leider habe ich noch nicht mal eine Handynummer von Augustin und Maurice, die beiden aus meiner Gastpfarrei. Ich hab eine Mail an Taizé geschrieben, ob sie irgendetwas Allgemeines über die TeilnehmerInnen aus dem Kongo wissen. Bis jetzt habe ich aber noch keine Antwort.
Manche Fragen mich, was man davon alles in Matimba so mitbekommt. Die Antwort ist: Gar nichts. Hier geht alles seinen gewohnten Gang. Das staatliche Radio ist für die meisten die einzige Informationsquelle. Fernsehen können nur wir in der Pfarrei. Ich vermute, dass 90% der Leute nur wenig oder gar nichts über den aktuellen Krieg im Nachbarland wissen. Klar, alle wissen, dass es im Kongo schon immer Krieg gab, hin und wieder auch mit ruandischer Beteiligung und auch die kongolesischen Flüchtlingslager in Ruanda sind bekannt. Aber in Matimba, das am anderen Ende des Landes liegt, kann man von dem neuen Krieg mit seiner neuen Brutalität nichts mitbekommen.

Doch für mich hat durch das Taizé-Treffen in Kigali der Krieg im Ostkongo eine persönliche Dimension bekommen. Zu tiefgehend war die Zeit, die man mit all den Leuten in Kigali verbracht hat, auch wenn es von Anfang an klar war, dass es wahrscheinlich keine Möglichkeit mehr geben wird, sich wieder zu treffen. Die vormals anonymen, Angst und Hunger leidenden Menschen aus dem Fernseher scheinen nun die Gesichter und Namen der Personen zu tragen, die man kennen gelernt hat.

Nur die Hoffnung bleibt, dass den Mächtigen hier und in aller Welt, das Schicksal der Menschen im Ostkongo nicht egal ist und sie nicht länger Spielball ihrer Interessen bleiben – „Selig sind die, die Frieden stiften“ (Matth. 5,9).

PS: Die Lage in Matimba und im Rest Ruandas ist sicher. Hier kann man absolut nichts mitbekommen. Es braucht sich niemand Sorgen zu machen. Zu unwahrscheinlich ist, dass der Konflikt auf ruandischem Boden ausgetragen wird.