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Genocide in Rwanda: Complicity of the churches? – Völkermord in Runda: Komplizenschaft der Kirchen?

30. November 2012 | Kommentare deaktiviert für Genocide in Rwanda: Complicity of the churches? – Völkermord in Runda: Komplizenschaft der Kirchen?

Das ist der Titel des Buches, das ich mir im Buchladen der Gedenkstätte Gisozi gekauft habe. Geschrieben haben daran 21 ganz unterschiedliche Leute, aus verschiedenen Kirchen und Glaubensrichtungen, schon im Jahr 2004.  Das gibt ein differenziertes Bild, das allerdings dennoch eine größere Verantwortung den Kirchen, allen voran der römisch-katholischen als der größten Religionsgemeinschaft in Ruanda zuspricht, als wir das bisher gehört haben. Das Buch enthält auch Auszüge aus dem sog. „Detmolder Schuldbekenntnis“, das 1996 bei einem Treffen unterschiedlicher Religionsvertreter entstanden ist. Weil das gesamte Buch so interessant ist, habe ich das letzte Kapitel übersetzt, das eine Zusammenfassung der gewonnenen unterschiedlichen Erkenntnisse versucht. Falls es ein bisschen hapert: Ich habe versucht, möglichst wörtlich zu übersetzen…

 

 

John K. Roth,

Was in Erinnerung bleiben sollte

Wenn jemand das Buch zuende gelesen hat, könnte es gut sein zu fragen:„Was soll ich in Erinnerung behalten?“ Keine zwei, die das Buch gelesen haben, werden diese Frage wohl  identisch beantworten, aber eine Rekapitulation dieser Art könnte eine hilfreiche Zusammenfassung sein, vor allem, wenn sie auf die Zukunft zielt und auf Wege, die Welt ein wenig zu heilen nach dem Schlachtfeld des ruandischen Völkermordes. Die Autoren der sechs Kapitel dieses Buches haben jede/r für sich wichtige Einsichten mitzuteilen und es ist sicher passend, ihre Worte noch einmal für sich sprechen zu lassen, bevor diese Seiten enden. Um die abschließenden Gedanken einzuleiten, scheinen die folgenden Punkte wert, auch in Erinnerung gerufen zu werden:

Dieses Buch hat Fragen nach der Komplizenschaft der Kirchen mit dem ruandischen Genozid aufgeworfen, aber es richtet sich an „alle Christen in Ruanda, bekannte und unbekannte, die vor, während und nach dem Völkermord von 1994 in Ruanda Menschlichkeit verteidigt haben und fest standen gegen den Strom noch nie dagewesener Grausamkeiten und die Gott nicht ohne Zeugen gelassen haben.“ Es gab viele, auf die diese Beschreibung zutrifft – aber eben nicht genug. Es hätten mehr sein können, und vielleicht genügend viele, wenn Christen, Regierungen und andere außerhalb von Ruanda wahrgenommen hätten, dass der Völkermord naht: Oder eingeschritten wären, bevor er in Gang kam, oder zumindest gestoppt hätten, bevor das Schlimmste geschah. Niemand, der die historischen Tatsachen sorgfältig betrachtet, leugnet wahrscheinlich, dass dieser Völkermord hätte verhindert werden können. Die Ruander selbst tragen dafür die Veratnwortung, dass das nicht geschah, aber die Veranwortung umfasst mehr  als ihre allein. Sich mit Bedrohungen und Realitäten eines Völkermordes zu befassen, gehört zur menschlichen Verantwortung und sie beginnt nicht mit und macht nicht Halt vor den nationalen Grenzen oder vor ethnischen und religiösen Unterschieden.

Wenn der Leser/die Leserin die letzten Seiten aufschlägt, ist es wichtig wahrzunehmen, dass dieses Buch eine schwierigere Geburt hatte, als das Auge beim ersten Blick zu erkennen in der Lage ist. Niemand schreibt gern über Völkermord, obwohl die Verantwortung, das zu tun, stark ist bei denen, die Zeugen waren oder solche Katastrophen studiert haben. Die Autoren und Autorinnen zusammenzuführen für eine Diskussion und dann das folgende Manuskript zu produzieren, hatte spezielle Schwierigkeiten. Sie betreffen ein Projekt, an dem Menschen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten beteiligt sind mit ihren unterschiedlichen Feldforschungen, religiösen Traditionen und verschiedenen Sprachen. Zu diesem Zeitpunkt liegt der springende Punkt woanders. Was wirklich erwähnt werden muss, ist die Abwesenheit von Stimmen, die zunächst zugesagt hatten, sich dann aber entschieden, ihre Beiträge hier nicht zu veröffentlichen.

Völkermord schafft Uneinigkeit auf mehr als nur eine Art, speziell wenn Debatten entstehen darüber, wie die Verantwortung für und die Erinnerung an ihn behandelt werden sollten. Was sich herausstellte war, dass der Fokus dieses Buches auf die Komplizenschaft der Kirchen mit dem Völkermord in Ruanda für einige ein Thema wurde, religiös und politisch zu heiß um es anzupacken. Sogar als das Buch in der letzten Entstehungsphase war, gab es Druck, unter dessen Last es hätte entgleisen können. Einige Autoren zogen ihre Beiträge zurück, unter ihnen vier ruandische Priester. Die Gründe dafür kennen sie selbst am besten, aber am Ende ist klar, dass die Zurücknahmen beeinflusst waren durch die Überzeugung, dieses Buch würde zu hart mit dem Christentum und den Kirchen umgehen. Als Christ nehme ich diese Position nicht ein. Im Gegenteil bin ich in meiner Rolle als einer der Herausgeber dieses Buches davon überzeugt, dass das Buch Perspektiven bietet und Einblicke, die wichtig sind nicht nur für Christen und Kirchen, sondern für eine Welt, die in einem Zeitalter der Völkermorde lebt. In Solidarität mit den Autoren der 16 Kapitel dieses Buches habe ich ihre eigenen Worte ausgesucht, um Perspektiven und Einsichten zusammen zu fassen, die es verdienen, sich ihrer zu erinnern.

 

  1. Hubert G. Locke: „Wenn es eine Lehre gibt, die wir aus der ruandischen Erfahrung ziehen können, dann ist es, dass Religion letzten Endes nicht genügend Überzeugungskraft haben könnte, um sich ethnisch verantwortungsvoll zu verhalten –  aber stark genug am Ende, um mehr Gewicht zu haben als der Einfluss der sozialen Klasse oder ethnischer und kultureller Traditionen.“
  2. Roger W. Bowen: „Traurigerweise wurden innerhalb der Kirchen die gegenseitigen Ängste zwischen Hutus und Tutsis nicht thematisiert oder bearbeitet…Im Großen und Ganzen ließ die Kirche diese ethnischen Vorbehalte ungelöst, oft unter der Oberfläche, bis die Bedingungen sich so veränderten, dass das Problem jenseits ihrer Kontrolle explodierte in erschreckender Gewalt.“
  3. Octave Ugirashebhuja: „Die Rolle der Kirche Jesu Christi…ist, alle Kinder Gottes zu versöhnen….Aber die Entscheidungen, zuerst die Tutsis zu ignorieren und sich den Hutus zuzuwenden, dann die Tutsi zu hochzuschätzen auf Kosten der Hutus, und letzen Endes die Tutsis aus der ruandischen Gesellschaft auszuschließen, waren bewusst getroffen.“
  4. Jerry Fowler: „Sachlich kann festgehalten werden, dass die kirchliche Hierarchie in Ruanda eng mit der Regierung verbunden war in den Jahren vor dem Völkermord…Zusätzlich zur engen Identifikation mit dem Regime wurden die ruandischen ethnischen Teilungen in der Kirche reproduziert. Weit davon entfernt, eine Kraft für die soziale Einheit und den Respekt der menschlichen Würde zu sein, war die ruandische Kirche selbst faktisch am Ende selbst so gespalten wie die Gesellschaft.“
  5. Charles Petrie: „In einigen Fällen haben die Repräsentanten der Kirche selbst die Killer zu ihrer Beute geführt, manche haben sich sogar am Morden beteiligt. Einige dieser Personen setzen die Feier der Sakramente in ihren Pfarreien rund um die Welt fort, geschützt von denselben Institutionen, deren Lehren universalen Frieden und Vergebung predigen. Warum ist das so? Und trägt die Kirche allein die Verantwortung dafür, nicht ihrem Auftrag gemäß gelebt zu haben, damals und danach?“
  6. Marie Julianne Farrington: „Das Evangelium selbst und die wahre Natur der Kirche ermahnen die Kirche, dass die Erinnerung an den Genozid lebendig bleibt und dass die Frage ohne aufzuhören und objektiv verfolgt wird.“
  7. Philipp Gaillard: „Gedächtnis ist das unsichtbarste und widerständigste Material, das sich auf Erden finden lässt. Du kannst es nicht schneiden wie einen Diamanten, du kannst es nicht erschießen, weil du es nicht sehen kannst; es ist überall, um dich herum, in der Stille; unausgesprochenes Leiden, Flüstern, und abwesende Blicke. Manchmal kann man es riechen und dann spricht das Gedächtnis wie das Flüstern der Stille. Manchmal ist der Geruch unerträglich, sogar wenn die Dinge für Jahrzehnte vergessen sind.“
  8. Marie Césarie Mukarwego: „Was man verstehen muss, ist, dass die Kirche aus menschlichen Wesen besteht und deshalb nicht vor der Zerbrechlichkeit und den Schwächen des Menschlichen gefeit ist. Diejenigen, die andere während des Völkermordes massakriert haben, waren zum größten Teil Christen, die Christen umbrachten. Die Mörder hatten das Evangelium gehört, oft, wirklich. Es war ihnen bewusst. Manche haben sogar darüber gesprochen. Dennoch entschieden sie, das Evangelium beiseite zu legen. Sie erlaubten sich, sich durch diejenigen manipulieren zu lassen, deren Projekt die Auslöschung anderer war.“
  9. Tom O`Hara in seinem Interview mit Carol Rittner: „Es reicht nicht aus, pastorale Statements zu verkündigen, auch wenn die Worte sogenannt „prophetisch“ sind. Was not tut ist, dass prophetische Worte in prophetische Aktionen gewendet werden. Die Realität ist, dass man alles verkünden kann, was man will, aber die Aktionen sind es, die Einfluss nehmen auf das Leben der Menschen und auf die Gesellschaft…Teuflisches wurde begangen, Teuflisches geschah. Die Hierarchie der Kirche in Ruanda ist nicht ohne Schuld, auch nicht die amerikanische Regierung und die größere internationale Gemeinschaft. Es gibt keine Retter in der traurigen Geschichte von Ruanda.“
  10. Matthias Bjornlund, Eric Markusen, Peter Steenberg and Rafiki Ubaldo: Möglicherweise muss man schließen, dass die katholische Kirche daran mitgewirkt hat, die wichtigen Voraussetzungen für eine Völkermord-Mentalität zu schaffen. Gleichzeitig hatte die Kirche die Gelegenheit, gegen den sich ausbreitenden Rassismus zu sprechen, gegen die systematische Unterdrückung, gegen die stattfindenden Massaker. Das zu tun, versagte die Kirche im Ganzen, vielleicht teilweise aus Opportunismus. Aber ganz gleich, was die Gründe waren, sie trugen zur Legitimation der Verbrechen bei, ließen die Opfer im Stich und handelten als Komplizen im Völkermord.“
  11. Margret Brearley: „Weil beide nationale Kirchen in Ruanda komplizenhaft waren und geschwiegen haben, war die Reaktion der internationalen Kirche wahrscheinlich bestenfalls zweideutig und dadurch zustimmend.“
  12. James M. Smith und Carol Rittner: „Während des Völkermordes 1994 in Ruanda wurden Kirchen, die einst Schutzräume vor Gewalt waren,  zu Orten von Brutalität und Tod…Vielleicht hilft es, wenn Kirchen als Erinnerungsorte an den Völkermord bewahrt werden, „die Kirche“ –  also Bischöfe, Priester, Ordensfrauen und Laien in gleicher Weise – mit den manchmal schwierigen und sensiblen Fragen zur Rolle der Kirchen in der ruandischen Gesellschaft vor, während und nach dem Völkermord zu konfrontieren.“
  13. Léon D. Saur: „Am 6. April 1994 hat eine unbekannte Person oder haben unbekannte Personen das Flugzeug abgeschossen, in dem Präsident Habyarimana saß. Der Völkermord begann: Einige Killer trugen Marienmedaillons; andere trugen Rosenkränze um ihren Hals oder banden Rosenkränze um ihre Waffen. Als eine Nonne einen Soldaten fragte, wie er töten könne mit einem Rosenkranz um den Hals, antwortete er, dass die Jungfrau ihm helfen würde, die Feinde zu finden. Viele Interahamwe-Trupps schlugen ihre Opfer und hielten in der einen Hand ein Kreuz und in der anderen eine Machete. Mörder und Opfer beteten zum selben Gott. Mörder besuchten Messen während der Massaker.“
  14. Tom Ndahiro: „Weil Gerechtigkeit ein integrierender Bestandteil im Versöhnungsprozess ist, sollte die Kirche zu denen gehören, die sich dafür einsetzen, dass die Betreiber des Völkermordes vor Gericht gebracht werden. Wenn die Kirche so den Prozess der Gerechtigkeit unterstützt, kann die Einheit zwischen den Ruandern wiederhergestellt werden, generell, und zwischen den Christen im speziellen. Das ist der einzige Weg für die Kirche, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, und das, was ihr Auftrag ist: Zeugin zu sein für Glaube, Hoffnung und Liebe, für Wahrheit und Gerechtigkeit. Nur auf diese Weise wird die katholische Kirche in Runda in der Lage sein, dabei mitzuhelfen, die Menschen in Ruanda zu retten – alle Menschen – und zu bewahren vor künftigem Leid und Blutvergießen.“
  15. Martin Francoai Neyt: „Jeder ist tief verwundet von dem, was in Ruanda geschehen ist. Viel Leid, Trauma und Trauer wurden ausgelöst durch diese Tragödie. Wir müssen die Erinnerung an die Opfer bewahren, an die Menschen, die ihr Leben hingaben, um ihre Nachbarn zu retten, an die Menschen, die überlebt haben mit den Erinnerungen an ihre Angehörigen, die umgebracht wurden. Wir müssen fragen, wie wir eine Wiederholung solcher Tragödien auf der Erde verhindern können. Unser Ziel muss sein, an die moralischen Pflicht der Kirchen zu erinnern, eine Bewegung des Heilens und Aufbauens in Gang zu setzen.“
  16. David P. Gushee: „Die Kirchen müssen ihre Mitglieder lehren, ihre Ohren zu verschließen gegenüber dem Sirenengesang jeder Ideologie, wie Rassismus, Stammesvorrechte oder Fremdenhass, die Würde und Gleichheit aller Menschen als Ebenbild Gottes und damit als vor ihm heilig leugnen.“

 

Wie der ruandische Völkermord offenlegt, können Worte Völkermord eher bewerkstelligen als verhindern oder stoppen. Trotzdem, wenn Völkermord verhindert oder gestoppt werden kann und wenn es Heilung gibt, nachdem ein Völkermord stattgefunden hat, dann sind Wörter immer noch wichtig, weil sie Handlungen herbeiführen können, die die Welt heilen. Zeit und menschliche Verantwortung werden die Geschichte erzählen, aber es ist die Hoffnung aller, die in diesem Buch veröffentlichen, dass ihre Worte zu Schritten in diese Richtung ermutigen.